Im Hoch- und Spätmittelalter, bis ins 16. Jahrhundert hinein war es Brauch, bei offiziellen Anlässen, z. B. zu Ehren des Gastes, einen Reigen zu Tanzen. Ein Reigen kann ein Kreistanz, aber auch ein Reihentanz sein. Getanzt wurde zu allen möglichen Anlässen: Mädchen und Frauentänze im Frühling, zu Geburten, im Fasching, zu Begräbnissen, zum Spott von Belagerten, zur eigenen Lustbarkeit und natürlich zu Repräsentationszwecken.
Der Reigen war oft begleitet von Gesang, sowie Aufgeführt von einem Vortänzer, der Abbildungen zufolge einen „leitestap“ oder auch eine Fackel in der Hand trug. „gesanc daz zieret manigen wünnechlichen rei“ = Kolmarer Liederhandschrift (um 1460, Mainz oder Speyer). Der Tanz konnte „tres nobles“, aber auch ungezügelt derb und gestampft ausgeführt werden und zog sich durch alle Schichten; manchesmal durchaus auch von einem Kleriker angeführt.
Differenziert wurden die Reigen in Kinder-, Männer-, Frauen- und beider Geschlechter- Reigen. Und selbstverständlich sollten auch nur die Stände „unvermischt“ tanzen. Im 14. Jhd. erließ die Stadt Nürnberg eine Verordnung, dass: „kain dienstmagt zu hochzeiten reien noch tanzen“ dürfe. Bei der Landshuter Hochzeit (1475) war dem Tanzen ein eigenes Zeremoniell gewidmet.:
„Getanzt wurde u. a. im Rathaus, welches von 78 „Wappnern“ bewacht wurde, denen befohlen worden war, kein gemeines Volk auf das Tanzhaus gehen zu lassen. Der Kaiser tanzte am Tag vor der Hochzeit den ersten Reigen mit der Königin aus Polen, flankiert zu beiden Seiten durch Herzöge und Grafen. Hernach folgten etliche weitere exklusiv abgestimmte Formierungen, wobei die Fürsten so lange vortanzten, bis sie durchgetanzt hatten. Erst zum Abschluss der ersten langen Tanznacht tanzten die Frauen von niederem Rang. Am Hochzeitstage gab es sodann neben gemischtgeschlechtlichen Tänzen abermals Reigen der Frauen und Jungfrauen………..“
Es gab aber auch gemeine Tänze der unteren und mittleren Bürger und Patrizier, wo oft auch Adelige und Fürsten teilnahmen. Dazu gab es „Tanntzlader“ (Nürnberg).

Jeder Reigen bestand aus mindesten drei Phasen: die Aufstellung, die Ausführung der Bewegungsarten und die Auflösung. Man konnte aber auch einfach zwischendrin ein- oder aussteigen und es konnten Tänzer dazugeholt werden. Die meisten Bildquellen stellen Handfassungen mit herunterhängenden Armen dar. Es gab aber auch Handgelenk-, Ellenbogen-, Oberarm-, Kreuz- und Tuchfassungen.
Bevorzugt wurde im Uhrzeigersinn getanzt. Die Schritte wurden verschiedenst ausgeführt. Es gab: Geh-, Lauf-, Tupf-, Dreh- und Stampfschritte. Zu den Figuren zählten: Biegen des Rumpfes in der Hüfte, hinkendem „umbeswanke“, Kreise wurden ein- und ausgedreht und die angehobenen Arme zu Toren zum Durchschreiten gebildet.
Wo wurde getanzt? Auf Straßen und Plätzen, um Bäume („Tanzlinde“), Wiesen, Friedhöfen, auch mancherorts Kleriker in Kirchen; in ländlichen Regionen in Tanzlauben und Tanztennen (älteste belegte in Tirol, 1273), jährlich neu gezimmerte Tanzbühnen; in Städten gab es jüdische Tanzhäuser (bis 1348 – Progrome), geräumige Gildehäuser, Hallen in Lagerhäusern, im Rathaus, im Spielhus – eigenes Tanzhaus neben dem Rathaus (Innsbruck). Selten waren private Tanzsäle.
Tanzsäle hatten meist ein stützloses Tonnengewölbe, damit keine Pfeiler störten. Oft waren sie sehr lang für Pavanen (Längenverhältnis 3:1). An den Wänden befanden sich Bänke für die Zuseher, an der Stirnseite eine Ehrenbank für die Gäste und den Gastgeber, Skulpturen, Wappen, Fresken und Prunkkamine. Erst sehr spät gab es Balkone und Galerien für die Musiker.


Auch heute noch versuchen wir Tänze mit den klingenden Namen wie Branles, Pavanen, Bassedanse, Gaillarde, Allemande und Countrydances zu rekonstruieren und nachzutanzen und haben unsere Freude damit!
aus: Walter Salmen,Tanz und Tanzen vom Mittelalter bis zur Renaissance, Terpsichore Tanzhistorische Studien Band 3. Georg Olms Verlag, Hildesheim,1999